Lothar Sprenger Diplomfotograf

Albertstadt

Datum Stempel Unterschrift öffnen das eiserne Tor. Der massige Wachmann hat einen Witz geladen und noch tausend Tage zu dienen. Krachend fällt das Gitter wieder ins Schloß; zurück bleiben Menschen, Autos, Straßen, Geräusche, die Stadt. Ein gepflasterter Weg senkt sich in die Stille des Parks. Die verstreuten Bauten, Ziegelgemäuer, schleimgrau getüncht, Zinnenzierat, Türmchen und Giebel, sie sind bewohnbar noch nicht gewesen. Zwischen Birken, Pappeln, Linden öffnen sich unerwarete Ausblicke. Spiegelndes Fensterglas, freistehende Treppen, schmiedeeiserne Balkone, Gärten, eine Villa, offen zum Licht wie ein Ostseebadeort. Es riecht nach frischem feuchten Laub und wie ranziges Öl. Moos federt die Schritte; kleine feste, dunkelgrüne Polsterkissen quellen zwischen den Granitpflastersteinen hervor. Kein Ton hallt nach von hundert Jahren Stiefeltritt. Plötzlich vor dieser Mauer endet eine Allee. Ein schattiger quadratischer Platz versinkt im Hagebuttendickicht. Ungeahnte Vogelstimmen feiern die Rückkehr der Bäume. Vielleicht, sagt der Wachmann, und müde kickt er das Gittertor auf, machen wirs noch. Eine Weile. Bis bald.

Detlef Krell · 1993